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Bahngleise sind extremen Belastungen ausgesetzt. Fachleute kontrollieren, bearbeiten und erneuern sie deshalb regelmäßig. Was muss ein Gleis leisten? Wie läuft die Instandhaltung ab? Und wann ist ein Wechsel nötig? Wir geben Einblicke.

Täglich sind Millionen Menschen und unzählige Tonnen Güter auf dem Schienennetz unterwegs. Für viele ist das selbstverständlich. Doch das System Eisenbahn beruht auf einer komplexen Infrastruktur, die belastbare Gleise benötigt. Sie ermöglichen einen sicheren, pünktlichen und effizienten Schienenverkehr – und somit auch den Deutschlandtakt.

Gleisbett, Brücken, Schwellen: Was gehört alles zum Gleis?

Wenn vom Gleis die Rede ist, denken viele Menschen nur an die Schienen. Tatsächlich umfasst das Gleis aber viel mehr. Es bezeichnet die gesamte Fahrbahn für Schienenfahrzeuge und besteht aus zwei Teilen, dem Unterbau und dem Oberbau:

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    Der Unterbau schafft die Basis für den Oberbau. Er setzt sich aus dem Erdkörper und baulichen Anlagen zusammen, wie zum Beispiel Entwässerungseinrichtungen, Eisenbahndämmen, Brücken oder Tunneln.

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    Zum Oberbau gehören Schienen, Schwellen, Befestigungsmittel und das Schotterbett, die zusammen den Gleiskörper bilden. Die Schwellen liegen parallel hintereinander und bestehen aus Holz, Kunststoff, Stahl oder Beton. Auf ihnen sind die parallel verlaufenden Schienenstränge befestigt. Die Schienen geben die Richtung vor und halten die Züge auch bei hoher Belastung auf Kurs.

Unter den Schienen befindet sich das Gleisbett, das in der Regel aus Schotter besteht. Das Gleisbett hat die Aufgabe, die statischen und dynamischen Kräfte der Züge aufzunehmen. Aber nicht alle Gleisanlagen sind auf Schotter gebaut: „Es gibt auch die sogenannte feste Fahrbahn, zum Beispiel auf den Schnellfahrstrecken Köln–Rhein–Main, Nürnberg–Erfurt–Halle oder Hannover–Berlin“, erläutert Matthias Gramer, Leiter des Anlagen- und Instandhaltungsmanagements der DB InfraGO in Nordrhein-Westfalen.

Gramers Team ist dafür verantwortlich, dass die Anlagen, zu denen neben den Gleisen auch Brücken, Tunnel und Stellwerke gehören, in einem sicheren und qualitativ guten Zustand sind. Die Arbeiten umfassen die Überwachung, Instandhaltung, Modernisierung sowie die Planung von Neu- und Ausbauten – ein wichtiger Baustein, um mehr Züge, bessere Anschlüsse und kürzere Reisezeiten im Sinne des Deutschlandtaktes zu ermöglichen.

Instandhaltung und Modernisierung: Was ist der Unterschied?

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    Bei der Instandhaltung geht es darum, den sicheren, zuverlässigen und wirtschaftlichen Betrieb der Anlagen zu gewährleisten. Ziel ist es, den aktuellen Zustand zu erhalten oder, wenn etwas nicht funktioniert, den Betrieb wieder herzustellen.

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    Die Modernisierung geht über den aktuellen Zustand hinaus und bringt die Anlagen auf den neuesten Stand der Technik. Eine typische Maßnahme ist zum Beispiel die Umrüstung von Relaisstellwerken auf elektronische Stellwerke (ESTW).

Was ein Gleis leisten muss

Hitze, Frost, tonnenschwere Züge und Geschwindigkeiten von bis zu 300 Stundenkilometern: Die Anforderungen an Bahngleise sind hoch. „Bei einer Zugfahrt wirken verschiedene Kräfte wie die Geschwindigkeit, Last und Dynamik beim Anfahren und Bremsen auf das Gleis ein. Diese Kräfte muss es aufnehmen und aushalten“, sagt Matthias Gramer.

Neben den Zügen wirkt auch das Wetter auf die Anlage ein. So zieht sich das Metall der Schienen bei Kälte zusammen. Bei Hitze dehnt es sich wieder aus. Starker Regen kann zum Beispiel dem Gleisbett schaden.

Bei regelmäßigen Inspektionen werden mögliche Schäden geprüft

Auch wenn die Gleise für diese Anforderungen gebaut sind: Fachleute aus dem Anlagen- und Instandhaltungsmanagement müssen sie regelmäßig kontrollieren und Schäden dokumentieren. Hierfür nutzen sie verschiedene Messtechniken wie zum Beispiel das Continuous Track Monitoring (CTM). Messinstrumente an regulär verkehrenden Zügen überwachen selbstständig den Zustand der Gleise, um beispielsweise Höhenunterschiede zwischen zwei Schienen eines Gleises zu erkennen und daraus Maßnahmen abzuleiten.

„In der Vergangenheit konnten wir die Gleislage nur mit speziellen Messzügen überwachen. Mit dem CTM können wir noch schneller und früher sehen, wo sich ein Fehler entwickeln könnte, und entsprechend reagieren“, erzählt Gramer. Derzeit seien mit CTM ausgerüstete Züge auf einer Strecke von etwa 3.200 Kilometern unterwegs.

In welchen Intervallen die Inspektionen stattfinden, hängt von der Zuggeschwindigkeit auf der Strecke ab. So kontrollieren die Fachleute Schnellfahrstrecken in kürzeren Abständen als weniger schnell befahrene Strecken. Auch die Lokführerinnen und Lokführer melden Auffälligkeiten.

Von der Prävention bis zur Einzelfehlerbeseitigung

Bei der Instandhaltung der Gleise unterscheiden die Fachleute zwischen Prävention und der Beseitigung von Einzelfehlern. Um Schäden gar nicht erst entstehen zu lassen, gibt es eine Reihe vorbeugender Maßnahmen wie das Hochgeschwindigkeitsschleifen. „Dabei fährt ein Schleifzug in regelmäßigen Abständen mit 80 Stundenkilometern über die Strecke und glättet die Schiene mit minimalem Materialabtrag. So beseitigt er Schienenfehler, die gerade erst entstehen“, berichtet der Experte.

Fehler, die Spezialistinnen und Spezialisten der Instandhaltung nicht präventiv verhindern können, werden so schnell wie möglich nach ihrem Auftreten behoben. Auch hierfür gibt es verschiedene Prüfgeräte und Maßnahmen.

Ein Beispiel für einen typischen Fehler an Gleisanlagen sind kleine Haarrisse an der Schienenoberfläche. Spezialist Gramer erklärt: „Mit minimalem Abtrag beim Schleifen lassen sich diese Risse problemlos beseitigen. Sind sie etwas tiefer, schleifen wir mit größerem Abtrag oder wir fräsen. Zur Orientierung: Beim Schleifen tragen wir etwa 0,3 Millimeter Material ab, beim Fräsen etwa 1,8 bis 3,6 Millimeter.“

Wenn die Fehler zu lange bestehen und nicht behandelt werden, kann ein größerer Riss entstehen, der senkrecht durch die gesamte Schiene verläuft. Dann muss die Schiene ausgetauscht werden. Dazu schneiden Gleisbauerinnen und Gleisbauer das betroffene Stück heraus und setzen ein neues Stück ein. Die Dauer der Arbeiten hängt vom Umfang der Maßnahme ab: „Wenn wir einzelne kurze Schienenstücke austauschen, machen wir das in wenigen Stunden nachts. Wenn wir Schienen über größere Abschnitte austauschen, dauert das zwei bis drei Schichten.“

Stopfmaschine behebt Probleme im Gleisbett

Auch das Schotterbett kontrollieren die Fachleute regelmäßig und füllen es auf, wenn zum Beispiel starke Regenfälle die Schotteroberfläche unterspült haben, Steine verrutscht sind oder das Gleisbett abgesackt ist. „Starkregenereignisse können den Untergrund aufweichen, dadurch sinkt die Tragfähigkeit und die Gleislage leidet. Die Züge müssen in diesem Fall gegebenenfalls mit reduzierter Geschwindigkeit fahren“, sagt Matthias Gramer.

Um den Fehler zu beheben, führen Gleisbauerinnen und Gleisbauer Stopfarbeiten durch. Dabei hilft eine Stopfmaschine, deren Arme ins Gleis greifen, vibrieren und den Schotter unter die Schwellen drücken und verdichten. Diese Arbeiten ergeben sich in der Regel aus der Inspektion, erzählt Gramer: „Hier setzen wir auf ein Prognosetool mit Künstlicher Intelligenz, das die Entwicklung von Gleislagefehlern dokumentiert. So können wir abschätzen, wann der beste Zeitpunkt für den Einsatz der Stopfmaschine ist.“

Instandhaltung geht nur gemeinsam

Die größte Herausforderung bei der Instandhaltung? „Das ist einerseits die Zeit“, sagt Matthias Gramer. „Unser oberstes Ziel ist es immer, die Anlagen so schnell wie möglich wieder für den Zugverkehr freizugeben.“ Schwierig seien auch die Komplexität und die Koordination der Arbeiten. Denn oft sind mehrere Gewerke an den Instandhaltungsmaßnahmen beteiligt. „Wir benötigen nicht nur die Maschinen, sondern auch Kolleginnen und Kollegen mit den passenden Qualifikationen und das notwendige Material samt Logistik. Kurzum: Wir müssen uns gut aufeinander abstimmen, damit auf der Schiene alles rundläuft.“

Titelbild: Quelle: Deutsche Bahn AG / Stefan Wildhirt