Man sieht eine Frau, die vor vielen Bildschirmen sitzt und dabei telefoniert.
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Mit zunehmendem Personenverkehr steigt auch die Frequentierung der Bahnhöfe – doch erhöht sich damit auch die Unsicherheit im Bahnverkehr? Die Antwort: Nein. Denn die einzelnen Nahverkehrsunternehmen sorgen (oftmals unsichtbar) dafür, dass sich ihre Fahrgäste wohl und sicher fühlen. Ein Blick hinter die Kulissen der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG).

Rund 3,6 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner hat Berlin. Was sie miteinander verbindet: die BVG. Knapp 1,1 Milliarden Passagiere beförderte die BVG 2019 in ihren quietsch-gelb lackierten U-Bahnen, Bussen und Straßenbahnen. 2020 waren es – trotz Corona – immerhin noch knapp 729 Millionen.

Den Überblick über die Menschenmengen, welche täglich den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) der Bundeshauptstadt nutzen, behält die BVG mit den Betriebsleitstellen für Bus, U-Bahn und Straßenbahn aber vor allem mit der Sicherheitsleitstelle. Wer letztere besuchen möchte, kommt an ihm nicht vorbei: Ingo Tederahn, Bereichsleiter für Sicherheit.

Tederahn arbeitet seit 1985 bei der BVG. Als Sicherheitsmitarbeiter hat er im Dienst den Mauerfall und später Feste wie die „Love Parade” mit großen Besucherzahlen miterlebt. Aus der Bahn wirft ihn also so schnell gar nichts – auch nicht die Fahrgastverdopplung, die mit dem Deutschlandtakt möglich werden soll.

Mehr Personen = weniger Sicherheit?

Auf die Frage, ob ihn mehr Fahrgäste im BVG-Netz sorgen würden, lacht Tederahn sogar das erste Mal laut: „Nein, ganz im Gegenteil. Denn die Anzahl unserer Fälle, die Probleme machen, bleibt konstant. Egal ob mit wenig oder vielen Fahrgästen – die sind immer da. Die Zahl der friedlich reisenden Fahrgäste kann von uns aus stark steigen. Vom Sicherheitsgedanken macht das keinen Unterschied. Man kann sagen: Aus Security-Sicht ist eine volle U-Bahn eine sichere U-Bahn.”

Wie als hätte sie auf ihr Stichwort gewartet, eilt in diesem Moment die U2 auf Hochgleisen am Fenster seines Büros in Berlin Kreuzberg vorbei. In der Bahn: Fahrgäste, die die oberirdische Fahrt genießen und den Blick über Berlin schweifen lassen. Tederahn blickt ihr nach und sagt: „In der Regel ist es eher so, dass Leute sich in einer großen Menge sicherer fühlen als um 23 Uhr abends an einem leeren Bahnsteig oder in einer leeren Bahn.”

Ein Security-Thema gäbe es aber, das sich mit höheren Fahrgastzahlen vielleicht doch intensivieren würde: Taschendiebstähle. Im Gedränge arbeite es sich für sie einfach besser. Aber auch darauf sei man bei der BVG vorbereitet.

Sicher von A nach B

Wie das Sicherheitsprinzip der BVG aussieht? Tederahn lehnt sich entspannt in seinem Sitz zurück: „Die BVG setzt auf Puzzleteile.” Er holt tief Luft und beginnt:

„Erstens: Prävention. Im Fokus steht hierbei die Aufklärungsarbeit – zum Beispiel in Sachen Taschendiebstahl. Zweitens setzen wir auf technische Maßnahmen. Hierunter fällt beispielsweise das ganze Thema Videoüberwachung. Außerdem versuchen wir, unsere Bahnhöfe umzubauen. Das heißt: betrieblich nicht notwendige Sichtbarrieren an den Bahnsteigen zu entfernen, die Fußbodenbeläge heller zu machen oder die Beleuchtung zu erhöhen. Das dritte Puzzleteil sind die personellen Maßnahmen: Darunter fallen unsere ganzen Streifentätigkeiten, die wir 24/7 in zivil, in Dienstkleidung und auch mit der Polizei zusammen durchführen. Zudem haben wir auch noch die organisatorischen Maßnahmen, wozu wir zum Beispiel eine konsequente Verfolgung von Straftaten zählen.”

Vier Puzzleteile, die perfekt zusammenpassen. Ein Herzstück davon ist die BVG-Sicherheitszentrale, in der Notrufe ankommen und Bahnhöfe präventiv beobachtet werden. Auf dem Weg dorthin, sagt Tederahn, würde er sich jetzt mit dem Reden etwas zurückhalten, um die Kolleginnen und Kollegen nicht zu stören. Wir treten ein.

Mitten im Allerheiligsten: Die BVG-Sicherheitszentrale

Es piept an mindestens fünf verschiedenen Orten gleichzeitig. Stimmengewirr. Jeden Arbeitsplatz umgibt eine Bastion aus Monitoren, welche die Person dahinter verbirgt.

Schnell ist man hier mittendrin statt nur dabei. Denn gleich zu Anfang startet ein lautes Piepen, schriller als die anderen. „Das ist ein Notruf. Da können Sie sicher sein, dass der direkt angenommen wird,” flüstert Tederahn “denn der Ton wird im Sekundentakt lauter. Das ertragen Sie nicht!” So weit kommt es aber gar nicht, an einem Arbeitsplatz geht eine junge Frau umgehend ans Telefon:

– „Sie haben den Notruf ausgelöst. – Brauchen sie die Polizei oder die Feuerwehr?” Sie hört zu.
– „Männlich oder weiblich? Und können Sie das Alter schätzen?” Wieder hört sie zu.
– „Hat sie offensichtliche Verletzungen?” Stille. Dann:
– „Ich bestelle einen Rettungswagen. – Vielen Dank für die Meldung.”

Während die junge Frau mit dem Mann am Bahnsteig redet, der vor der Notrufsäule steht, kann sie auf dem Bildschirm via Kamera das Geschehen beobachten. Zudem bekommt der Bildschirm vor ihr einen roten Rand. Es sieht aus, als sei auch er in Alarmbereitschaft.

Ruhig erklärt Tederahn im Hintergrund: „In dem Moment, wo sie den Notruf angenommen hat, bewertet sie ihn und er bekommt ein Stichwort. Zu diesem Stichwort schlägt das System dann zum Beispiel vor, welche Streife sich in der Nähe befindet oder welche konkreten Maßnahmen jetzt eingeleitet werden müssen. Eine Art Checkliste führt sie außerdem jetzt durch die nächsten Schritte. Ist also beispielsweise ein Fahrgast erkrankt, muss sie die Feuerwehr rufen, sonst lässt sich der Einsatz auf dem Bildschirm gar nicht erst schließen. So lässt sich nichts vergessen.”

Die Menschen in der BVG-Sicherheitszentrale arbeiten immer in festen Teams – man kennt und hilft sich. Vor den einzelnen Arbeitsplätzen hängen sechs große Bildschirme, auf denen sich die Bilder der Überwachungskameras abspielen, die für alle interessant sind. Tederahn: „Wir haben nicht nur ein oder zwei Kameras auf Bahnhöfen, sondern teilweise bis zu 60 – je nachdem wie groß die Bahnhöfe sind. Die Grundidee ist, dass wir jede Fläche unseres Hausrechtsgebietes videoüberwachen und 48 Stunden aufzeichnen.”

Gerade sind wir auf einem der großen Bildschirme live dabei, wie ein Fahrgast gedankenverloren an einem Feuerlöscher herumspielt. Nichts, was eine kurze (und durchaus kecke) Ansage über den Lautsprecher am Bahnsteig nicht regeln könnte: „Sie da, mit der roten Jacke – aufpassen! Gehen Sie da mal weg.” BVG eben. Der Mann entfernt sich.

Tederahn zeigt unterdessen auf einen weiteren Bildschirm oben links, auf dem keine Videobilder zu sehen sind, sondern bunte Punkte, die sich bewegen: „Auf diesem Monitor haben wir zudem alle Fahrzeuge im Blick – also jeden Bus, jede U-Bahn und jede Straßenbahn mit Live-Standort. Die Farbe zeigt dabei an, ob Fahrzeuge verfrüht, pünktlich oder verspätet sind. Das hilft uns beispielsweise sehr bei akuten Notfällen wie „Person im Gleis”. Da sehen wir direkt, wo der nächste Zug ist und können reagieren.”

„Und haben Sie schon mal hinter sich geschaut?”, fragt Tederahn dann. Nein. Ganz hinten im Raum sitzt etwas abseits ein Mann, der von noch mehr Bildschirmen umgeben zu sein scheint. „Wir sind 24 Stunden mit einem Polizeibeamten besetzt, also jeder Notruf, der hier eingeht, läuft dann – wenn nötig – über diesen Polizisten, ganz als hätte man die 110 gewählt.”

Trotzdem Mithilfe der Fahrgäste benötigt

„Doch damit das Sicherheitsnetz bestmöglich funktioniert, ist es wichtig, dass wir informiert werden. Dann können wir auch aktiv werden!”, sagt Tederahn zum Schluss.

Zwar seien die Kolleginnen und Kollegen der BVG-Sicherheitszentrale extrem routiniert, potenzielle Gefahren via Videoaufzeichnung auf den Bahnhöfen zu erkennen, doch sie seien für ein noch sichereren Personenverkehr auf Mithilfe angewiesen.

So bekämen sie täglich extrem viele Meldungen von Zugfahrern, Fahrgästen oder Geschäftsinhabern, die sie auf Probleme oder Menschen aufmerksamen machen, die Hilfe benötigen. Und das sei großartig! Ein Problem seien die Fahrgäste, die einen großen Schritt über andere machten, anstatt zu fragen, ob jemand Hilfe braucht.

„See something, say something”, sei das Prinzip. Immer. Denn am anderen Ende der Notrufsäule ist immer die BVG-Sicherheitszentrale zur Hilfe parat. So, dass wir alle sicher ankommen.

Alles intakt beim Deutschlandtakt – auch in Sicherheitsfragen

Am Beispiel der BVG zeigt sich, dass auch die ÖPNV-Unternehmen sich um ihre Fahrgäste kümmern und gut vorbereitet sind auf steigende Fahrgastzahlen – welche sich im Zuge des Deutschlandtakts auch im öffentlichen Personenregional- und -nahverkehr bis 2030 verdoppeln sollen.

Damit doppelt so viel Fahrgäste unterwegs sein können, wird neben der Förderung des Infrastrukturausbaus (also mehr Strecken und Verbindungen) mit dem Deutschlandtakt auch etappenweise das Angebot für Reisende erweitert. Das heißt: mehr Züge, dichtere Taktung – aber auch bessere Bahnhöfe und Haltestellen für einen einfacheren und schnelleren Ein-, Aus- und Umstieg.

Das Fahrgäste in ganz Deutschland, aber nicht nur öfter, schneller, überall ankommen – sondern auch sicher, hat dabei bei allen Eisenbahnverkehrsunternehmen in Deutschland absolute Priorität.